Krieg riecht nicht nach Blut, sondern nach Scheiße. Den Gestank will der kriegsmüde Weinbauer Trygaios nicht länger ertragen, denn seit dreizehn Jahren wütet der Krieg zwischen Athen und Sparta. Da er die ewigen Kriege der Griechen satt hat, sucht er sich gemäß einer Prophezeiung einen Mistkäfer und fliegt auf ihm zu den Göttern auf den Olymp. Er will herausfinden, was Zeus mit den Griechen vorhat und so vielleicht den Krieg beenden. Auf dem Olymp erfährt er von Gott Hermes, dass die anderen Götter sich zurückgezogen haben, da sie von den Menschen enttäuscht sind. Nur Polemos, der Gott des Krieges, sei noch hier und werde ganz Griechenland bald in seinem großen Mörser zerstampfen. Die Göttin des Friedens sei von ihm in einen Schacht geworfen worden, der sich zufällig im Garten von Trygaios befinde. Trygaios versucht nun, den Frieden auszugraben. Währenddessen besuchen ihn unterschiedliche Menschen, von der Korbflechterin bis zum Kriegsgeräte-Fabrikanten, die alle ihre eigenen Erwartungen an Krieg und Frieden haben.
Der Krieg schafft unzählige Tragödien und seit Aristophanes, dem „Vater der Komödie“, auch Lustspiele. Mit Der Frieden hat er eine raue Komödie geschaffen, in der die einfache Unterscheidung in Gut und Böse nicht leicht zu treffen ist. Kriegsgewinnler und -verlierer werden Friedensgewinnlern und -verlierern gegenübergestellt. Die Grundfrage, warum Menschen Kriege führen, wird dadurch nicht nur emotional, sondern auch humorvoll gestellt. Ein altes Märchen über moderne Menschen. Ein Gleichnis, das mit viel Fantasie auf unsere Realität schaut. Das Ensemble wird den antiken Text von Aristophanes in der Bearbeitung des französischen Theatermachers Antoine Vitez für unsere Zeit weiterentwickeln – eine Zeit, in der jeder den Frieden herbeisehnt: Durch Abrüsten, durch Stärke, oder als größten Deal aller Zeiten.
Matthias Heße, der als einziger aus der Ära Greb blieb, passt perfekt zu einem auch schauspielerisch hervorragend aufgelegten Ensemble. Und die Regie von Daniel Kunze sorgt für allerhand Kurzweil als Treibstoff für ein Gedanken-Karussell, das auch vor Kants „Ewigem Frieden“ und der Erkenntnis nicht halt macht, dass jeder Friede, der kein ewiger ist, nur Waffenstillstand bleibt. Durch den Einsatz eines Kindes mit Militärrucksack und Marschverpflegung (Ben Krolzik) kommt auch noch der Hunger im globalen Süden ins Spiel und potenziert noch einmal die Komplexität der Fragen.
Jens Dirksen, Neue Ruhr Zeitung, 26. Oktober 2025
Bei allem Spaß an Satire und körperbetontem Spiel behält die Aufführung eine allgemeingültige, philosophische Ebene. Durchweg begeistert das neue Ensemble. Clara Pinheiro Walla ist sehr witzig im direkten Kontakt mit dem Publikum, Florian Kager gibt dem vertrottelten Sohn des Weinbauern bei aller Komik sympathische Glaubwürdigkeit. Und Matthias Heße überragt mit feiner Komik, ehrlichem Entsetzen und dem verzweifelten Willen, einen Krieg zu beenden. Es gibt kaum einen aktuelleren Bühnentext als den „Frieden“ von Aristophanes. Zumindest wenn man ihn so inszeniert wie Daniel Kunze – voller Respekt vor dem Original. Was eben nicht Musealisierung bedeutet, sondern den Versuch, die Wirkung beim Publikum zu erzielen, die Aristophanes sich vorgestellt hat – ein provozierendes Plädoyer für einen vielleicht unerreichbaren Frieden.
Stefan Keim, Theater der Zeit, 27. Oktober 2025
Als Ausgangs- und Endpunkt seiner konzeptionell überzeugend daherkommenden Inszenierung hat Kunze den Hof des Weinbauers gewählt. Als offenkundiger Lebens- und Diskursmittelpunkt steht dort ein Kiosk mit dem Hinweisschild „Weinverkostung“. Diesen, wie auch die Orte Himmel und Erde, hat Bühnen- und Kostümbildnerin Sophie Leypold geschaffen, die dafür bravourös mit nur einer Dekoration auskam und allein mittels verschiedener Licht- und Klangatmosphären (diese teils in Zusammenarbeit mit Peter Winking und Manuel Fehlings) für Veränderungen in Raum und Zeit sorgte.
Olaf Reifegerste, Rheinische Post, 26. Oktober 2025
Schließlich gräbt Trygaios die Friedensgöttin aus – in Moers: in seinem Garten, im alten Brunnen. Doch der ist längst zugeschüttet; man weiß nicht mehr, wo der Schacht war. Man will abstimmen, man will eine Kommission gründen, die Nachbarin (Catherine Elsen) lässt eine Wutrede vom Stapel über die Unfassbarkeit des Friedens, der nie in der Tagesschau vorkommt. Man stimmt dafür ab, nicht mehr abzustimmen. Hier werden Fehler, Dysfunktionalitäten unseres demokratischen Systems, die auch Kriege auslösen können, fein und komisch offengelegt. In das vielstimmige Gewirr tritt ein Kind (Ben Krolzik) und schildert unsere heutige Gesellschaft aus seiner Sicht – ohne Eigeninteressen. Das ist eine Anklage, die man so schnell nicht vergisst. Und doch bleibt die Grundstimmung des Abends heiter. Weil wahnsinnig gut gespielt wird.
Andreas Falentin, Die Deutsche Bühne, 26. Oktober 2025
WDR - Westart - Westart zu Besuch im Schlosstheater Moers
WDR - Funkbeitrag - Moers startet mit "Der Frieden" in neue Spielzeit
WDR3 - Mosaik - Doppelspitze am Schlosstheater Moers
Spielort
Schloss, Kastell 9, 47441 Moers